In Nr. 15 der „Chronik der LKK" wurde über die Mißhandlungen an Virgilijus Jaugelis im Straflager Pravieniškiai berichtet. Hier wird diese Information ergänzt: Man schlug ihn zusammen, während er betete. Eine ganze Woche blieb er mit einer schweren Kopfverletzung im Lager Pra­vieniškiai ohne jegliche qualifizierte medizinische Hilfe, und erst nach Ab­lauf einer Woche wurde er nach Vilnius in das Gefängniskrankenhaus Lukiškiai gebracht. Bei diesem Transport wurde er von den Kriminal­beamten beraubt.

Der Chirurg an der Krebsstation der Poliklinik in Vilnius, Kaspariūnas, stellte bei V. Jaugelis die Diagnose, ein Teil seines Darmtraktes sei von Krebs befallen (Stadium 3) und teilte mit, daß eine sofortige Operation notwendig sei. Nach Ablauf eines Jahres, wenn Jaugelis aus dem Straflager entlassen werden wird, wird es für die Operation bereits zu spät sein. V. Jaugelis hat schriftlich verzichtet, sich operieren zu lassen.

An den Staatsanwalt der Litauischen SSR Erklärung

von Jaugeliene Monika, wohnhaft in Kaunas, Kalnustr. 7.

Mein Sohn, Virgilijus Jaugelis, wurde wegen Vervielfältigung der „Chro­nik der LKK" und wegen des Sammeins von Unterschriften für das Me­morandum verurteilt. Er wurde jedoch zur Verbüßung der Strafe zusam­men mit Kriminellen untergebracht und dort zusammengeschlagen. Ich protestiere gegen die Unterbringung meines Sohnes bei Kriminellen und für alle Folgen dieser Tatsache mache ich jene verantwortlich, die ihn dort in­haftiert haben.

Ich bitte den Staatsanwalt, die Angelegenheit so ordnen zu wollen, daß mein Sohn nach seiner Rückkehr aus dem Vilnaer Gefängniskrankenhaus nicht mehr mit Mördern, Gewalttätern und Dieben zusammenleben muß. Sollte dies nicht geschehen, müßte ich die Inhaftierung meines Sohnes zu­sammen mit Kriminellen für ein bewußtes Vorhaben des Staatsanwaltes halten, meinen Sohn auf diese Weise fertigzumachen, seine sowieso schwa­che Gesundheit zu ruinieren oder ihn gar hinterlistig zu töten.

M. Jaugeliene

den 7. März 1974

 

Am 30. März antwortete der Vertreter des Staatsanwaltes für die Über­wachung der Straforte der Litauischen SSR, I. Šiškovas, daß die Art der Strafverbüßung vom Gericht festgelegt werde, und es keinen Grund gäbe, wegen der Art der Strafverbüßung im Falle von V. Jaugelis zu protestieren.

 

An den Generalstaatsanwalt der UdSSR Klage

des Bürgers V. Jaugelis, Sohn von Vincas, der nach dem § 199 I des Straf­gesetzbuches der Litauischen SSR zu zwei Jahren allgemeinem Straflager verurteilt wurde.

Ich, Virgilijus Jaugelis, wurde am 16. Februar 1975 wegen einer schweren Kopfverletzung als Folge von Mißhandlungen und wegen eines gebroche­nen Kiefers aus oc 12/8 in das Krankenhaus der Republik zu Vilnius (oc 12/11) überführt.

Während meiner Durchsuchung vor der Abfahrt, hat man mir in der Wach­station meine Gegenstände zur Ausübung der Religion abgenommen (Ska-pulier und Rosenkranzband). Obwohl die Verfassung der UdSSR allen ihren Bürgern Religionsfreiheit garantiert, hat man bei der Untersuchung über mich und die obenerwähnten Gegenstände grob gespottet. Dies ge­schah am 16. Februar 1975 um 7.30 Uhr in der Wachstation oc 12/8. Dieses Geschehen haben außer mir noch vier Verurteilte gesehen und gehört, die an jenem Tag ebenfalls in das Krankenhaus überführt wurden. Die obenge­nannten Gegenstände sehen folgendermaßen aus: 1. Das Skapulier — zwei Stückchen Stoff (10 X 25 cm), die mit einem Faden verbunden sind; 2. Das Rosenkranzband — doppelte Schnur (95 cm lang), zusammengebunden durch Knoten. Als ich nach der Gerichtsverhandlung durch das Sicherheits­komitee ins Lager wegfuhr, hat man mir diese Gegenstände als ungefährlich zurückgegeben. Die Administration der Strafkolonie erlaubte mir ebenfalls, sie bei mir zu behalten. Die Aufseher, die mich und meinen Glauben belei­digten, rechtfertigten ihr Verhalten damit, daß sie sagten, ich könne mich mit Hilfe dieser Dinge erhängen. Jedoch entbehrt das jeglicher Logik. Erstens verbietet mir mein Glaube, so etwas zu tun, zweitens hat man mir meinen Gürtel und meine Schuhe mitsamt den Schuhbändern gelassen .. . Daraus geht hervor, daß die Logik der Aufseher mehr als dumm und lächer­lich ist. So kann nur ein völlig stumpfsinniger Mensch denken; ihre Unifor­men trugen aber einige Sterne. Dies war ganz gewöhnlicher Spott, den sie mit ihren törichten Worten maskierten. Da ich dieses Verhalten der uni­formierten Staatsbediensteten für eine Beleidigung nicht nur mir und mei­nem Glauben gegenüber, sondern auch als eine Beleidigung der Verfassung der UdSSR halte, verlange ich, daß mir diese Gegenstände zurückgegeben werden, daß ferner die Personen, die mir gegenüber so niederträchtig gehan­delt haben, bestraft werden, und daß sich in der Strafkolonie oc 12/8 ähn­liche Vorkommnisse nicht mehr wiederholen, und zwar nicht nur mir, son­dern auch anderen Personen gegenüber.

Wenn nach Ablauf eines Monats, vom Absendetag meiner Klage an, die not­wendigen Maßnahmen nicht eingeleitet werden, d. h., wenn mir die abge­nommenen religiösen Gegenstände nicht zurückgegeben werden und ich nicht in ein Straflager für politische Gefangene versetzt werde, werde ich sofort nach Ablauf der Frist mit einem Hungerstreik beginnen und nicht mehr arbeiten. Ich verlange dies, da ich mich nicht für einen Kriminellen halte.

Meine Handlungen, die ich in der Freiheit begangen habe, halte ich nicht für ein Verbrechen, sondern im Gegenteil — ich halte sie für die Pflicht jedes gewissenhaften Katholiken und für die Pflicht jedes die Wahrheit lie­benden Menschen.

Wie in meiner Heimat, so sind in der ganzen UdSSR alle leitenden Posten von Atheisten besetzt, welche, da sie die Macht haben, diese dazu benutzen, den Katholiken und allen Bürgern, die die Gewissensfreiheit und die Wahr­heit lieben, Böses anzutun. Sie gebrauchen sowohl physischen wie auch mo­ralischen Zwang auf eine Weise, daß das, was mir widerfuhr, meine Ver­haftung, das Verhör und die physischen Mißhandlungen, nur ein alltägliches Beispiel des atheistischen Terrors gegen die Katholiken und überhaupt gegen die Gläubigen darstellt. Dafür habe ich genügend Beweise. Ich hoffe, daß meine Forderung im Laufe eines Monats erfüllt wird.

Virgilijus Jaugelis

den 28. März 1975

 

Anfang April 1975 erfuhr man, daß der Verurteilte Petras Plumpa (siehe „Chronik der LKK", Nr. 13) bereits in die Haftvollzugsanstalt überführt worden ist. Seine jetzige Adresse: Gebiet Perm, 618263, Rayon Cusovoj, Kr. Kucino, vs 389 (36—2). Die Fahrt in das Bestimmungsgefängnis dauer­te zwei Monate. Der litauische Sicherheitsdienst wollte ursprünglich P. Plumpa noch in Vilnius behalten, damit er im Prozeß von J. Grazys als Zeuge auftrete. Da aber der Obengenannte nichts zum Nachteil von J. Gra­zys aussagen konnte, wurde er nach Kucino abtransportiert. Lebensmittelpakete wird P. Plumpa erst nach Ablauf von vier Jahren emp­fangen können. Jeden Monat darf er nur zwei Briefe schreiben. P. Plumpa trägt seine Gefängnisstrafe mit einer tief christlichen Fassung. Seiner Mei­nung nach müssen heute die Christen nicht einem triumphierenden, sondern einem leidenden Christus folgen; sie müssen die Herzensgüte pflegen, indem sie selbst ihren Verfolgern und den Verrätern vergeben. P. Plumpa bittet nur um Gebetshilfe.