(Auszug aus den Gerichtsakten des Obersten Gerichtes der Litauischen SSR)
Gerichtsvorsitzender — S. Raziūnas, Volksräte — V. Burokevičienė und B. Kilius, Sekretärin — O. Jablonskaitė, Staatsanwalt — J. Bakučionis.
Angeklagte — 1. Vladas Lapienis, (Sohn des) Antano, geb. am. 6. Juni 1906, angeklagt gemäß § 68 Abs. 1 des StGB der Litauischen SSR; 2. Ona Pranskūnaite, (Tochter des) Jono, geb. am 2. Januar 1935, angeklagt gemäß § 199—1 des StGB der Litauischen SSR.
Das Gericht hat folgendes festgestellt:
In der Litauischen SSR wurden in den Jahren 1972—1976 illegal 25 Nummern von Chronik der Litauischen Katholischen Kirche herausgegeben, die vervielfältigt und verbreitet wurden. In diesen Sammlungen der »Chronik der LKK« wird ein Stoff dargeboten, der tendenziös gesammelt und eindeutig verleumderisch ist, mit dem die Innenpolitik der UdSSR gegenüber der katholischen Kirche in Litauen verzerrt wiedergegeben wird, durch den versucht wird, eine angebliche Unterdrückung der Gewissensfreiheit sowie Verfolgung der Gläubigen zu suggerieren und damit gegen die Sowjetregierung Stimmung zu machen. Die Sammlungen der »Chronik der LKK« wurden an die antisowjetischen bour-geoisen Emigrantenzentren im Ausland weitergeleitet, welche den verleumderischen Stoff in ihrer zersetzenden Tätigkeit gegen die UdSSR benutzt haben, indem sie den abgedruckt und kommentiert haben in Darbininkas (Der Arbeiter, Litauisches Wochenblatt; Anm. d. Übers.), Draugas(Der Freund; Litauische Tageszeitung), in USA und anderen reaktionären Zeitungen und auch in den antisowjetischen Programmen von Rundfunkanstalten (Radio Vatikan u. a.) wiedergegeben haben.
Die verbrecherische Tätigkeit des Vladas Lapienis
Mit dem Ziel, die sowjetische Regierung zu schwächen durch Verbreitung von verleumderischen Erfindungen, welche den sowjetischen Staat und seine Gesellschaft erniedrigen, hat V. Lapienis in den Jahren 1974—1976 den Organen des Staates und der Partei der Republik und der Union Eingaben desselben Inhaltes geschrieben, welche er verbreitet hat durch Veröffentlichung in den Nummern 9, 11, 15 und 23 der illegalen Schrift »Chronik der LKK«. Danach wurde dieser Stoff von den im Ausland erscheinenden reaktionären Zeitungen übernommen. Im Frühjahr 1976 hat V. Lapienis für Frau A. Ruzgienė eine Schreibmaschine besorgt und gab ihr den I. Teil desGulago salynas (Archipel Gulag) von A. Solzenizyn zum Multiplizieren. Sie hat mit der Schreibmaschine sechs Exemplare — Kopien — abgeschrieben, von denen sie ein Ex. an Niurka (Pfarrer von
Utena) gegeben hat, und fünf Ex. dem Lapienis übergeben hat, der diese verbreitet hat.
Am 19. Oktober 1976 hat Lapienis zum K. J. Matulionis die »Chronik der LKK« Nr. 24 und davon 12 nicht eingebundene Kopien in Maschinenschrift mitgebracht, wobei er die Vorbereitungen zur Verbreitung traf, indem er mit K. J. Matulionis die Druckfehler korrigierte. Verbreiten konnten sie nicht mehr, denn sie wurden an Ort und Stelle festgenommen.
Zum Zweck der Agitation und Propaganda hat V. Lapienis Literatur antisowjetischen verleumderischen Inhalts gehabt: Ausgaben von »Chronik der LKK« (12 Ex.), Aušra (Die Morgenröte), »Chronik der laufenden Ereignisse« (in russischer Sprache); Kopien von den im Ausland herausgegebenen Büchern und Broschüren: Gulago salynas(Archipel Gulag), Simas, Kultūrinės represijos Lietuvoje (Kulturelle Repressalien in Litauen), Lietuviškojo charakterio problemos (Probleme des litauischen Charakters), Atsiskyrimas ir suartėjimas (Trennung und Annäherung), Dabartinės visuomeninės ekonominės sistemos ir ju perspektyvos (Die heutigen gesellschaftlichen und ökonomischen Systeme und deren Perspektiven), und auch die Manuskripte: Atsakymas V. Trumpai (Antwort an V. Trumpa), Atviras laiškas Leonidui Pliuščiui (Offener Brief an Leonid Pliuše), und auch ein Manuskript über einen der Führer der KPdSU, Michailas Suslovas — antrasis Muravjovas — korikas (M. S. — der zweite Henkersknecht M. — Anm. d. Red.).
Lapienis hat sich nicht als schuldig bekannt. Er erklärte, daß er nicht angestrebt hat, die sowjetische Regierung durch verleumderische Erfindungen zu schwächen. In seinen Eingaben hat er religiöse Fragen erörtert, mit dem Ziel, die Interessen der Kirche und der Gläubigen zu verteidigen, diese aber nicht in der »Chronik der LKK« publiziert; wer aber diese an die Herausgeber dieser Schrift übergeben hat, das weiß er nicht.
Es wurde festgestellt, daß V. Lapienis antisowjetische Literatur gesammelt hat, den Stoff für die »Chronik der LKK« vorbereitet hat, diese und andere gegnerische Literatur vervielfältigt und verbreitet hat. Auf die Aufgaben seiner Tätigkeit weisen auch die bei ihm gefundenen Patarimai, kaip laikytis tardymo metu (Ratschläge, wie man sich bei einem Verhör verhalten soll).
Die verbrecherische Tätigkeit von O. Pranskūnaitė
O. Pranskūnaitė hat systematisch Literatur mit wissentlich verlogenen Erfindungen vervielfältigt, welche die sowjetische Ordnung erniedrigen. O. Pranskūnaitė hat sich für schuldig bekannt. Sie erklärte, daß sie im Frühjahr 1975 einen Mann kennengelernt hat, von dem sie zwei Schreibmaschinen bekommen hat und für ihn die Nummern 13, 14, 15, 17, 19, 20 der illegalen Sammlung der »Chronik der LKK« in je 5—6 Ex. vervielfältigt hat, und von der Nr. 20 etwa 10—12 Ex. Für diesen Mann hat sie auch das Buch »Probleme des litauischen Charakters« vervielfältigt.
Bei O. Pranskūnaitė wurde eine große Menge Schreibpapier und Kohlepapier gefunden, und in ihrer Wohnung, im Badezimmer, war ein elektrographisches Kopiergerät installiert, was ebenfalls beweist, daß sie systematisch illegale sowie antisowjetische Literatur vervielfältigt hat.
An der Gerichtsverhandlung gegen V. Lapienis, O. Pranskūnaitė und J. Matulionis haben folgende Zeugen teilgenommen: K. Šinkūnas, N. Kunaitis, J. Raškauskas, S. Pečkevičius, A. Ruzgienė, E. Lapienienė, B. Aleksis und J. Šutas.