Telšiai

Frau Rambutinė, Klassenlehrerin (10b) der V. Mittelschule, verbot ihren Schü­lern, an der Bestattung der Mutter eines Mitschülers am 21. September 1977 teil­zunehmen. Genehmigt wurde lediglich eine Kranzniederlegung am Grabe.

Šiauliai

Der Direktor der Mittelschule Šiauliai, Snieškus, ließ am 1. April 1978 den Va­ter der Dalia Judikavičiutė, Schülerin der 9. Klasse, vorladen und versuchte ihm klarzumachen, daß religiöse Gläubigkeit seiner Tochter den Weg zum Hoch­schulstudium versperren werde. Nach Meinung des Direktors gehöre Dalia irgendeiner »Sekte« an und könne sich dadurch etwas »einbrocken«. Der Vater wurde gewarnt, die Geheimpolizei interessiere sich bereits für seine Tochter, und man müsse ihr beibringen, sich von »Sekten« und Gemeinschaften fernzu­halten, die oft gegen sowjetische Gesetze verstoßen.

Šiauliai

Am 18. Oktober 1977 wurde die Schülerin Irena Dapkutė aus der Klasse IIb der

III. Mittelschule ins Büro der Direktorin Frau Jovaišienė gerufen und gefragt:

»Warum bist du nicht im Komsomol? Ist deine Mutter dagegen?«

»Nein, ich selbst will nicht.«

»Warum nicht? Gehst du zur Kirche?«

»Ja.«

Zeugen dieses »erzieherischen« Dialogs waren die stellvertretenden Direktoren — die Lehrerin Lukšienė und ihr Kollege Martinaitis. Vom Resultat ihrer Un­terhaltung offensichtlich enttäuscht, bemerkte die Direktorin verächtlich: »Sechzehn Jahre bin ich im Lehramt tätig, aber ein derart fanatisch überzeugtes Mädchen ist mir bisher nicht begegnet. Was ist das für eine Erziehung in deren Familie?« Als sie erfuhr, Irene habe noch einen kleinen Bruder, fragte sie wei­ter:

»Nehmt ihr den auch in die Kirche mit?« »Nein, er geht von sich aus!«

Die Vernehmung im Zimmer der Direktorin dauerte eine volle Stunde. Ähnlich vorgeladen und vernommen wurden im selben Dienstzimmer auch die anderen Nichtkomsomolmitglieder der 11. Klasse. Soweit sie zusagten, dem kommuni­stischen Jugendverband beizutreten, ließ man sie in Ruhe. Nach einiger Zeit wurden die Charakteristik-Zeugnisse beraten, wobei Irena Dapkute folgende Eintragung erhielt: »Das Mädchen ist religiös und verteidigt seine Überzeugungen standhaft, fast fanatisch. Sie entstammt einer religiösen Familie, half bei liturgischen Riten in der Kirche und ist vielleicht deshalb weder von Lehrern noch von Mitschülern, auch nicht durch das vermittelte schulische Wissen umzustimmen. Sie ist hartnäckig und widersetzlich, wenn es um die Ver­teidigung eigener Meinungen und Überzeugungen geht.«

Šiauliai

Vor Weihnachten 1977 traf die Leiterin des Atheismus-Zirkels an der VIII. Mit­telschule, Frl. Grebeničenkaitė, Vorbereitungen für eine Atheismusfeier, die am

Heiligen Abend stattfinden sollte. In diesem Zusammenhang wurden die Schü­ler gezwungen, »Betschwestern« und ähnliche negative Rollen zu schauspielern. Die Lehrerin verhöhnte hierbei besonders die als Kirchgänger bekannten Schü­ler. Sie drohte ferner, wer nicht an der Veranstaltung teilnehme, bekomme eine »4« (d. h. ungenügend) in Mathematik oder die Betragensnote werde herabge­setzt.

Kretinga

Schüler der hiesigen Mittelschule nahmen im Oktober 1977 den Altardienst während der heiligen Messe auf. Daraufhin nahm sich die Leitung der Schule den Schüler Saulius Katkus der 8. Klasse vor: »Warum verrichtest du Meßdienst?« »Es gefällt mir.«

»Wir werden dich aus der Schule ausschließen!« »Dann werde ich eine andere Schule besuchen.« »Womöglich beschließt du noch, ins Priesterseminar einzutreten?« »Bis dahin ist noch Zeit nachzudenken« — meinte unerschrocken der Schüler. Nach dieser Unterhaltung erschien die Klassenlehrerin bei der Mutter des Jun­gen und bat darum, Saulius die Teilnahme am Meßdienst zu untersagen. Die Mutter war damit nicht einverstanden. Schuldirektor Kecorius, die Komsomol­sekretärin Aleksandravičiūtė und der Klassenlehrer Raguckas versuchten mit Drohungen, den Schülern Eugenijus Drungila und Antans Puškorius das Ver­sprechen abzupressen, nicht mehr am Meßdienst teilzunehmen.

Kybartai

Die Lehrerin für die litauische Sprache, Frau Sukackienė, erteilte den Schülern der Klasse 7a die Aufgabe, ein atheistisches Gedicht auswendig zu lernen oder Literatur atheistischer Thematik zu studieren. Beim Abfragen zeigte sich die Mehrzahl der Schüler unvorbereitet. Die Lehrerin drohte daraufhin, im Wieder­holungsfall die Note »ungenügend« zu erteilen. Einige Schülerinnen protestier­ten dagegen. Sie seien religiös gläubig und würden deshalb ihrer Überzeugung widersprechende atheistische Gedichte nicht deklamieren. Eines der Mädchen brachte den Text des Gedichts »Hymnus der Ehre« des Poeten B. Bradžionis mit, durfte diesen aber nicht vorlesen. Die Lehrerin begründete das Verbot da­mit, daß es sich hier um ein geistliches Lied und kein Gedicht handele. Frau Su­kackienė zwang die Schülerinnen sodann, etwas aus dem von ihr mitgebrachten Buch »Hasengeschichten« auswendig zu lernen.

Kybartai

Am 5. Mai 1978 wurde von der hiesigen Kirche aus ein alter Mann beerdigt. Auf Weisung der Klassenlehrerin Strakauskaitė durften Schüler der Klasse 6b in der Kirche am Sarg zwar einen Kranz niederlegen, mußten aber den Kirchenraum danach sofort verlassen. Diese Praxis gehört zu den üblichen Manifestationen des atheistischen Fanatismus in Litauen. Schulleiter zwingen die Lehrer, dieses Ritual zu befolgen, und werden ihrerseits von der Abteilung Schulwesen des zu­ständigen Rayons dazu gezwungen.

Stebuliai (Rayon Lazdijai)

In der hiesigen Achtjahrschule werden die Schüler gezwungen, der Pionierorga­nisation und dem Komsomol beizutreten. Die zwangsweise rekrutierten Schüler müssen dann das rote Pionierhalstuch tragen. Oft hören die Lehrer dann Be­merkungen wie: »Lieber für 75 Kopeken Bonbons als so ein Pionierhalstuch ge­kauft . . .«

Schüler der 7. Klasse wurden am 1. April 1978 gezwungen, sich als Komsomol­mitglieder einzutragen. Alle mußten nachsitzen und wurden zu zweit ins Lehrer­zimmer gerufen, wo ihnen die Lehrerin, Frau Smaidziūnienė, die Vorzüge einer Komsomolmitgliedschaft schilderte:

»Wer dem Komsomol beitritt, bekommt eine gute Charakteristik; wer sich wei­gert, wird als >Wolf< eingestuft. Wer eintritt, nimmt am Ausflug nach Zarasai teil, wer nicht eintritt, bleibt zu Hause.«

Frau Smaidziüniene gibt den als gläubig bekannten Kindern auf, atheistische Aufsätze zu verfassen, was eine Diskriminierung religiöser Kinder darstellt. Im Dezember 1977 wurde in der Schule ein »atheistischer« Nachmittag veran­staltet, mit Priester und Gläubige verhöhnenden Deklamationen und Lesungen.

Leipalingis

Der Biologielehrer Vytautas Česnulis von der hiesigen Mittelschule ist ein eifri­ger Apostel des Atheismus. Sein Unterricht artet oftmals in atheistische Vorle­sungen aus, in denen Religion und die Gläubigen verhöhnt werden. Ein Schüler der 11. Klasse charakterisierte die Propaganda des Lehrers Česnulis als »typisch für die Atheisten Litauens — in bezug auf Unvernunft, Zynismus und Unkennt­nis alles Religiösen«.

Užguostis (Rayon Prienai)

Beim diesjährigen Osterfest war die Kirche nicht nur voll erwachsener Kirchgän­ger, sondern auch zahlreicher Besucher im schulpflichtigen Alter. Am Gottes­dienst nahmen von Anbeginn bis Schluß auch Spitzel und Staatsfunktionäre teil. Sie drangen in die Sakristei ein und verlangten nach den Namen der am Gottesdienst beteiligten Jugendlichen. Dem Pfarrer wurde vorgeworfen, er or­ganisiere die aktive Teilnahme von Schülern an der Meßfeier. Gemeindepfarrer Zenonas Navickas weigerte sich, ein entsprechendes Protokoll zu unterschrei­ben, und erklärte, er werde auch weiterhin die Teilnahme Jugendlicher organi­sieren. »Ich belästige Kinder von Kommunisten in keiner Weise, erzieht eure Kinder nur wie es beliebt. Von gläubigen Eltern habe ich bisher verlangt, daß ih­re Kinder zur Kirche gehen, und werde das auch weiter tun.«

Prienai

Nach dem Osterfest machte die Lehrerin Frau Žemaitienė von der II. Mittel­schule den Schülerinnen Kazlauskaitė, Sinkevičiūtė und Krikščiūnaitė (Klasse 7a) Vorwürfe wegen ihrer Teilnahme an der Osterprozession. Die Schülerin Sin­kevičiūtė erklärte dazu, ihre Mutter und die Großmutter gingen zur Kirche und deshalb werde auch sie zur Kirche gehen.

Prienai

Die Gemeindepfarrer von Pakuonis, Skriaudžiai und Užguostis waren am 17. April 1978 beim Exekutivkomitee des Rayons vorgeladen. Der stellvertretende Vorsitzende Morkvėnas warf ihnen vor, sie hätten beim Osterfest die Beteili­gung von Schülern an religiösen Riten zugelassen. Pfarrer Tėvelis aus Pakuonis erklärte dazu, ein Priester sei nun einmal kein Milizionär, der Kinder vom Altar hinwegtreibe. Die anderen Geistlichen meinten: »Da ihr schon eine so pracht­volle Verfassung entworfen habt — seid doch nun auch so gut und haltet euch daran . . .«

Aukštadvaris (Rayon Trakai)

Die Schüler Saulius Sekonas (5. Klasse) und Piliukas (8. Klasse) wurden in der satirischen Zeitung der hiesigen Mittelschule verhöhnt, weil sie gewagt hatten, von dem Verfassungsrecht über Gewissensfreiheit Gebrauch zu machen. Ihr Verbrechen — sie gingen in die Kirche, um zu beten. Die Schülerin Baranaus­kaite (7. Klasse) und der Schüler Kalinkevičius wurden streng verwarnt, sonn­tags nicht mehr zur Kirche zu gehen. Parteisekretär Verseckas drohte der Schü­lerin Spiliauskaitė (7. Klasse) mit Verminderung der Betragensnote und Lächer­lichmachen in der Wandzeitung, wenn sie weiter zur Kirche ginge. Die Gläubi­gen von Aukštadvaris fahren mit ihren Kindern zum Kirchenbesuch in Nach­barorte.

Palanga

Am 30. März 1978 machte die Lehrerin der II. Mittelschule, Frau Jovaisienė, einen Hausbesuch bei der Viertkläßlerin Stonkutė, um deren Eltern beizubrin­gen, es sei unstatthaft, Kinder zum Kirchenbesuch mitzunehmen. Dieselbe Leh­rerin gibt den Schulkindern als Klassenarbeit auf, Gottesbilder zu malen, und verspottet die Religion. Allein in diesem Jahr mußten die Kinder zweimal Frage­bogen über Glaubensfragen ausfüllen. Mit ihrem Mann besuchte Frau Jovaišie­nė außerdem noch die Eltern des Schülers Senavaitis (4. Klasse), der anschlie­ßend zwangsweise als Mitglied der Pionierorganisation eingetragen wurde.

Ignalina

Hier wurde am 27. Juni 1977 der tragisch ums Leben gekommene Rimas Stukė-nas beerdigt. An der Beisetzung beteiligten sich viele Menschen, darunter zahl­reiche Jugendliche und Kinder. Eine große Menge umlagerte den Altar, gut zweihundert Gläubige gingen zur Kommunion. Außer zwei Klassenfreunden des umgekommenen Jungen. Sie wurden von der Lehrerin Juodagalvienė aus der Kirche geführt und in ihrer Wohnung festgehalten, bis der Sarg aus der Kir­che getragen war. Dann durften sie sich dem Trauerzug anschließen.

Zuikai

Die Lehrerschaft der hiesigen Achtjahrschule überredete die Viertkläßlerin Ri­mute Balčiūnaitė, der Pionierorganisation beizutreten, und belohnte sie mit dem Geschenk eines Füllhalters, eines Büchleins und des Pionierhalstuches. Zu Hause, im Dorf Didžiasalis, erzählte das Kind die Geschichte seinen Eltern, die das Mädchen anwiesen, sich von der Mitgliedsliste der Pioniere streichen zu las­sen. Am nächsten Tag meldete die Schülerin ihren Lehrern den Widerruf. Diese lehnten anfangs ab, gaben aber schließlich auf, als das Kind bitter zu weinen an­fing. Anschließend wurden die Eltern der Schülerin vom Parteisekretär Sidoro-vas und dem Kolchosvorsitzenden A. Balčiūnas auf jede erdenkliche Weise schi­kaniert.

Zuikai

Die Lehrerin Frau Garlienė der hiesigen Achtjahrschule untersuchte im Novem­ber 1977 die Hosentaschen des Schülers Kęstutis Balčiūnas (7. Klasse) und fand dabei einen Rosenkranz, den sie an sich nahm. Einen Monat später gab die Leh­rerin den Rosenkranz allerdings wieder zurück.