Šiauliai

Wie die Chronik der Litauischen Katholischen Kirche bereits berichtete, wurde Pfarrer I. Alesius bereits als Seminarist während des Urlaubs im Rayon Lazdijai vom Geheimdienst nicht in Frieden gelassen, sondern dauernd vom KGB (dem KGB-Chef von Lazdijai, Žemaitis, und einem Tschekisten aus Vilnius) at­tackiert.

Am 11. Januar 1978 wurde Pfarrer Alesius, jetzt als Vikar an St. Peter und Paul in Šiauliai tätig, ins Militärkommissariat bestellt, angeblich zwecks Überprü­fung einer Militärdienstangelegenheit. Tatsächlich empfing ihn ein Geheim­dienstler, der sich als Romas Pietaris vorstellte.

— Grüße von Šiaudinis in Vilnius.

— Einen Šiaudinis kenne ich nicht.

— Mit dem hast du doch in Lazdijai gesprochen, er ist vom Geheimdienst in Vilnius. Und jetzt werden wir zwei uns treffen, und wir werden denen sagen, was du uns mitzuteilen hast.

— Nein, ich denke gar nicht daran, mich mit Ihnen zu treffen, denn ich kümme­re mich nicht um Politik.

— Pfarrer Svarinskas sagt auch, er kümmere sich nicht darum. Pfarrer Alesius erklärte dem Geheimdienstmann daraufhin, er habe die KGB-Belästigungen jetzt gründlich satt. Bereits als Student des Priesterseminars habe man versucht, aus ihm gewaltsam einen KGB-Mitarbeiter zu machen. Selbst einen Bleistift drückte man ihm in die Hand und drohte, wenn er nicht schreibe, werde er auch niemals das Seminar absolvieren.

— Schade, daß du das alles ausgeplappert hast.

— Meine Eltern haben mich von klein auf gelehrt, ehrlich zu sein. Als man mich nach Lazdijai gebracht hatte und ich den ganzen Tag lang abwesend war, mußte ich meinen sehr besorgten Eltern doch wohl erzählen, wo ich gewesen war. Au­ßerdem haben sich die Geheimdienstleute äußerst unklug verhalten, indem sie mich ins »Haus der Räte« brachten, um dort mit mir zu sprechen. Jedermann konnte das sehen, und dort arbeiten viele, die mich kennen.

— Stimmt, unser Fehler, gab der Geheimdienstmensch zu. Aber wir zwei wer­den uns schon noch treffen, bei garantierter Geheimhaltung und Vorladung per Telefon.

— Ich werde zu keinem Treffen erscheinen, man kann nicht zwei Göttern die­nen. Ich weigere mich kategorisch, es sei denn, sie wenden Gewalt an. Bevor man ihn entließ, wurde Pfarrer Alesius verwarnt, das Thema Abtreibung in seinen Predigten nicht zu berühren. Aborte möge machen, wer nur wolle. Wie man sieht, ist der KGB daran interessiert, daß es unter der litauischen Be­völkerung möglichst viele Abtreibungen gibt. Je weniger Litauer, um so mehr Platz für Zuwanderer, um so schneller wird Litauen russifiziert.

Die Chronik der LKK ersucht alle Geistlichen, die zur KGB-Mitarbeit erpreßt werden, in ihren Spalten diese unmenschlichsten aller KGB-Methoden zu schil­dern — den Versuch, Menschen zu zwingen, gegen die Kirche, das eigene Hei­matland und das eigene Selbst zu wirken. Je offener und schonungsloser unsere Öffentlichkeit und der Rest der Welt von den Schurkereien des KGB erfährt, um so weniger werden diese werden, dunkle Taten scheuen Tageslicht.

Telšiai

Ende 1977 und Anfang 1978 wandten sich der Bürger Šeduikis und Frl. Dargu-žaite, beides gläubige Christen, an das hiesige städtische Exekutivkomitee, das Parteikomitee Telšiai und verschiedene Zentralbehörden mit Gesuchen, eine Wegekreuzkapelle errichten zu dürfen. Die städtischen Stellen reagierten über­haupt nicht. An Stelle einer Antwort ließ die Rayonverwaltung am 27. April 1978 den Kapellenpfosten des Bürgers Šeduikis abreißen. Wegen dieses Vorfalls bemühte eine Gruppe von Gläubigen mit nachstehendem Protestschreiben die höchste Instanz in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.

  

An den Generalsekretär der KPdSU, L. Brežnev

Durchschriften an ZK der KP Litauens, Exekutivkomitee des Rayons Telšiai Mai 1978

Protest

der Katholiken von Telšiai 114

Wir, die unterzeichneten Bürger der Stadt Telšiai, sind schwer beleidigt durch das Benehmen unserer verantwortlichen Rayonbeamten. Diese Leute sind namens der gesamten Sowjetmacht, damit, Genosse Brežnev, auch in Ihrem Namen tätig. Doch ist diese Tätigkeit eine Schande für die So­wjetmacht.

Am 20. April d. J. wurde eine neue Verfassung der Litauischen SSR beschlossen und in Kraft gesetzt, die gleiches Recht für alle Bürger, somit auch Gleichheit der Gläubigen mit Nichtgläubigen, vorsieht. Wenige Tage danach, am 24. April, ließ die Rayon Verwaltung Telšiai, wie zum Hohn auf diese Garantie, ei­nen künstlerisch wertvollen Kapellenpfosten am Wohnhaus unseres Pfarrers und unseres Organisten abreißen. Im vergangenen Jahr hat der Maler Petkeviči­us in Nr. 12 der Zeitschrift Švyturys (Leuchtturm) die Zerstörung von Wegkreu­zen und Bildstöcken als Akt des Wandalismus und Rabaukentums bezeichnet. Es ist daher einfach unglaublich, daß sich höchste Vertreter der Sowjetmacht in unserem Rayon zu solchen Untaten hinreißen lassen.

Das Exekutivkomitee hat sogar beschlossen, einen ähnlichen Kapellenpfosten auf dem Friedhof zu vernichten, den Frl. Dargužaitė dort über den Gräbern ih­rer Angehörigen errichtet hat.

Die Rayongewaltigen von Telšiai betreiben ferner regelrecht diskriminierende Maßnahmen gegen die Gläubigen. Um ihnen das Weihnachtsfest unter dem Tannenbaum unmöglich zu machen, durften Tannenbäume auf Anordnung des Exekutivkomitees erst ab 26. Dezember verkauft werden. Solche anormalen Zu­stände wurden 1977 in Nr. 10 der Zeitschrift Švyturys und am 25. Dezember so­gar von der Tiesa, dem ZK-Organ der KP Litauens, kritisiert. In Telšiai müssen Gläubige nach Beendigung des Arbeitstages in benachbarte Rayons reisen, um dort Tannenbäume zu kaufen. In anderen Rayons, z. B. Šiauliai, wurden Tan­nenbäume seit dem 19. Dezember verkauft. So zwingt man die Gläubigen, kost­bare Zeit zu verlieren, und mutet ihnen zusätzliche Ausgaben zu. Mit ehrlicher Arbeit unterhalten wir die Sowjetbehörden — doch dieselben Äm­ter zwingen uns durch entsprechende Verordnungen unnötige Ausgaben auf, bereiten künstliche Schwierigkeiten und zwingen uns zur Zeitvergeudung. In den Schulen von Telšiai finden Massenvernehmungen von Schülern statt, die zur Kirche gehen. Zwischen dem 12. und 16. Dezember wurden gläubige Schü­ler aus dem Unterricht heraus zur Vernehmung geführt. An diesen Tagen wur­den Unterrichtsstunden gekürzt oder fielen ganz aus.

Gegenwärtig vernehmen die Staatssicherheitsorgane gläubige Kinder, selbst Chorsänger. Die Vorfälle sind stadtbekannt. Angesichts solcher Tatsachen füh­len wir uns entrechtet.

Werden Gläubige etwa im Zusammenhang mit der neuen Verfassung als Ver­brecher angesehen, oder sind ihre Rechte eingeschränkt worden? Wir wollen einfach nicht glauben, daß dies alles mit Ihrem Einverständnis geschieht. Wir ersuchen um eilige Gegenmaßnahmen und appellieren an Ihr Humanitätsgefühl — haben Sie sich doch so oft fürsprechend für die Rechte der Arbeiterschaft in anderen Ländern eingesetzt. Setzen Sie sich nun bitte auch für unsere, die Rech­te sowjetischer Bürger, ein.

Der Organist unserer Kathedrale hat sich an das Exekutivkomitee Telsiai und an den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten gewandt. Obwohl jede Sowjetbehörde verpflichtet ist, eine Eingabe innerhalb von 30 Tagen zu be­antworten, warten Gläubige vergebens auf eine Antwort der genannten Behör­den. Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten setzt sich nicht für die Rechte der Gläubigen ein — wiederholte Eingaben wurden mit dem Einwand abgewiesen, der Bevollmächtigte habe kein Recht, Beschlüsse eines Exekutivkomitees abzuändern.

Daher wenden wir uns an Sie. Wir bitten, die Rayonverwaltung Telsiai zur Wie­dererrichtung des Kapellenpfostens zu veranlassen, Schädigung und Erniedri­gung gläubiger Menschen, die Schändung ihrer Grabstätten nicht mehr zuzulas­sen — und alle Regierungsbeamte in wahrhaft kommunistischem Geist zu erzie­hen, denn jetzt mißbrauchen sie ihre dienstliche Stellung und bereiten der So­wjetunion nur Schande.

Das Protestschreiben ist von 130 Gläubigen der Stadt Telsiai unterzeichnet.

An den Bevollmächtigten

des Rates für religiöse Angelegenheiten, Tumėnas Durchschriften an

das Rayon-Exekutivkomitee Telšiai und an das Rayon-Parteikomitee Telšiai

Eingabe

der Bürgerin Danute Dargužaitė, Tochter des Juozapas Dargužis Telšiai, Pionierių Gatve 13/1

Als Gläubige, deren Rechte und Freiheiten nach der Verfassung garantiert sind, ersuche ich den Bevollmächtigten des Rates um Schutz für ein Denkmal. Gegen­wärtig bin ich verpflichtet, wie aus der Verfügung ersichtlich, das Denkmal ab­zubrechen, womit ich nicht einverstanden bin. Aus der Verfügung Nr. 325 ist ersichtlich, daß ich das Denkmal ordnungsgemäß mit Genehmigung und zum Gedenken an Verstorbene errichtet habe. Als gläubige Christin habe ich meinen gleichfalls gläubigen Verstorbenen auf ihre Gräber auch Zeichen ihres christli­chen Glaubens, Kreuze und Statuetten, gesetzt. Es scheint, als sei das Denkmal den zuständigen Stellen ohne diese Zeichen akzeptabel — nicht aber mit densel­ben. Denn, so heißt es in dem Bescheid, das Denkmal sei im Vergleich zum ge­nehmigten Projekt »gröblich entstellt«. Wie soll man das nun verstehen? Ohne Zeichen des Glaubens weiht kein Priester ein Grab-Denkmal, warum soll in die­sem Falle verboten sein, was sonst die Regel ist?

Die bischöfliche Kurie zu Telsiai erließ am 11. Oktober 1954 unter Nr. 577 ein Rundschreiben für die Gläubigen, in dem es heißt, Kreuze dürften nicht nur auf Friedhöfen, sondern auch auf den Höfen der Gläubigen errichtet werden. In ei­nem weiteren Schreiben vom 7. Oktober 1972, Nr. 227, hat die Kurie dies erneut bestätigt. Beide Schreiben sind allen Gläubigen bekannt und nie wiederrufen worden. Dies betrifft auch mein Denkmal, denn dazu gehört auch ein Kreuz. Inzwischen wurden vielerorts Kapellenpfosten ohne religiöse Zeichen errichtet — am Museum, der Zentrale für Forstwirtschaft, am Burgberg Dziugas und an­derswo. Nichtgläubige dürfen somit derartige Pfosten errichten, Gläubige aber nicht. Gläubige haben also mindere Rechte als Nichtgläubige. Daher wende ich mich an Sie und bitte darum, die Willkürakte der Rayonbeamten von Telsiai zu unterbinden. Falls keine Hilfe Ihrerseits erfolgt, würde ich gezwungen sein, mich direkt an den Rat für religiöse Angelegenheiten zu wenden. Ich erwarte eine persönliche Antwort.

23. Dezember 1977                                              gez. Dargužaitė

Pociūnėliai, Rayon Radviliškis

Der Leiter der Finanzabteilung des Rayons Radviliškis, V. Vaišutis, hat Pfarrer A. Jokübauskas am 6. Februar 1978 wörtlich erklärt: »Mit Hilfe von Steuern haben wir die Güter der Kulaken (Großbauern) verstaatlicht und die Bauern in die Kolchosen getrieben, mit Hilfe der Steuern werden wir auch dich fertigma­chen!« Nach dieser Ankündigung ist dann auch verfahren worden — für das Jahr 1978 wurde der Steuersatz für Pfarrer Jokübauskas verdreifacht und ihm eine Steuerlast von 812 Rubel auferlegt.

Am 26. Mai 1978 ließ der Kolchosvorsitzende Nenartavičius auf Weisung der Rayonverwaltung Škėmai den Zwanzigerrat der Kirchengemeinde ins Büro der Kollektivwirtschaft Pociūnėliai rufen und verlangte dort von der Gemeindever­tretung die Unterzeichnung eines Abkommens über Entlassung von Pfarrer Jo­kübauskas aus seinem Amt als Vorsitzender des Kirchenkomitees. Die Gläubi­gen weigerten sich, einen neuen Vertrag mit der örtlichen Verwaltung zu unter­zeichnen, und erklärten zur Widerwahl eines Vorsitzenden: wir haben denjeni­gen zum Vorsitzenden gewählt, der sich am besten um die Kirchenangelegenhei­ten kümmert, und werden keinen anderen wählen.

Die Rayonverwaltung ist anscheinend gar nicht glücklich darüber, daß die Gläu­bigen an Stelle des zurückgetretenen früheren Vorsitzenden ihren Gemeinde­pfarrer gewählt haben. Es scheint, als sei dies der erste Fall dieser Art in Litauen.

Klaipėda

Wiederholt haben sich die Gläubigen an die bischöfliche Kurie in Telšiai ge­wandt und um die Einsetzung eines anderen Gemeindepfarrers gebeten, der sich mehr um die materiellen und spirituellen Bedürfnisse der Gemeinde kümmert. Der augenblicklich amtierende Geistliche, Pfarrer Jonas Baikauskas, liebdienert allzusehr vor der atheistischen Staatsmacht und ist selbst gegen Teilnahme jun­ger Leute an Prozessionen und Singen im Kirchenchor. Die Chronik der Litauischen Katholischen Kirche bemerkt hierzu, daß es in Li­tauen nicht wenige Gemeindepfarrer dieser Art gibt. Sie lassen lieber weißhaari­ge Alte ministrieren, um ja ihre guten Beziehungen zum atheistischen Staat nicht zu verderben. Wie traurig sind doch Folgen der Angst in manchem prie­sterlichen Leben.

Die Kurialverwaltung Telšiai rechtfertigt sich damit, daß sie nicht im Stande sei Gemeindepfarrer zu versetzen, wenn diese sich der Unterstützung weltlicher Macht erfreuen.

Pavandenė

Am 8. Juli 1978 haben unbekannte Täter die Fensterscheiben von 14 Kreuzweg­stationen innerhalb des Kirchhofgeländes eingeschlagen und die Fensterrahmen zertrümmert.

Kuršėnai

Der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees Šiauliai, Beržinis, er­schien am 26. 5. 1978 bei Vikar R. Žuipa, verbot ihm die Kinderkatechese und drohte ihm, Predigten zu unterlassen, die der atheistischen Obrigkeit mißfallen könnten, widrigenfalls werde er einiges zu bereuen haben. Der Dekan von Kuršėnai, Pfarrer Stanislovas Ilinčius, läßt Kinder erst gar nicht an den Altar heran, verscheucht sogar die von seinem Vikar auf den Meßdienst vorbereiteten Ministranten. Damit beteiligt er sich nicht am Aufbau einer leben­den Kirche, sondern wirkt für deren Zerstörung.

Šaukėnai, Rayon Kelmė

 Die Einwohner von Šaukėnai beschweren sich über anhaltende Störung von Ru­he und Frieden auf dem Friedhof. Erst hatte man neben dem Friedhof eine Ba­deanstalt errichtet, nach deren Schließung wurde ein Schießstand etabliert. Dauernd krachen Schüsse und erschrecken Menschen, die die Gräber ihrer Ver­storbenen besuchen.

Wieviel Grabschändungen gibt es in Litauen, wie viele Kreuze werden umge­stürzt und in Stücke geschlagen! Und was ist erst aus dem jüdischen Friedhof Šaukėnai geworden!? Seinerzeit legte man dort sogar eine Kiesgrube an, und Schottern, mit Spuren von Menschenknochen und Totenschädeln wurde zum Wegebau abgefahren . . .

Viduklė

Anläßlich des Todes von Papst Paul VI. versandte der Gemeindepfarrer von Vi­duklė, Alfonsas Svarinskas, folgendes Beileidstelegramm an den Vatikan: An seine Eminenz Kardinal J. Slipyj!

Aus Anlaß des Todes des großen Papstes Paul VI., den man zu Recht Apostel des Friedens und Gewissen der Welt genannt hat, übermittele ich zu Händen Eurer Eminenz dem Apostolischen Stuhl mein herzlichstes Beileid. Auf den Knien betet das katholische Litauen für die Seele des verstorbenen Papstes und fleht zu Gott um ein mutiges und wohltuendes Oberhaupt der Kirche Christi.