Wir bedanken uns!

Wir danken herzlich der Liga der Balten für die uns zugesprochene Prämie! Das ist eine Anerkennung der Bemühungen, des Kampfes und der Leiden unseres Volkes und gleichzeitig eine Ermutigung, noch eifriger zu arbeiten und sich zu opfern.

Wir danken allen unseren Brüdern im Ausland, die unsere Bemühungen durch Gebet, Wort oder andere mögliche Mittel unterstützen.

Möge der gütige Gott allen vergelten!

Kretinga

Am 19. Februar 1986 ist in Kretinga nach langer Krankheit der langjährige Gefangene, feurige Kämpfer und edle Mensch Petras Paulaitis gestorben. Der Verstorbene wurde am Friedhof von Kretinga beigesetzt.

Vilnius

Am 20. Dezember 1985 waren alle Bischöfe und Verwalter der Diözesen Litauens beim Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten ein­geladen. Zu ihnen sprachen der Bevollmächtigte Anilionis und der Stellver­treter des Vorsitzenden des Ministerrates Česnavicius. Am Anfang seiner Rede machte P. Anilionis den Bischöfen und den Verwaltern der Diözesen Vorwürfe, weil der Inhalt der letzten Besprechung das Ausland erreicht hatte. . . Der Bevollmächtigte erinnerte sie daran, daß man sich bemühen müsse, daß das 600jährige Jubiläum der Taufe Litauens so schön verlaufe, wie seiner Meinung nach das Jubiläum des hl. Casimir verlaufen ist. Er hielt vor, daß sich das Jubiläumskomitee, vom Bischof J. Preikšas geleitet, an die Regierung Litauens gewandt habe mit der Bitte, aus Anlaß des Jubiläums die Kathedrale von Vilnius, die St. Casimir-Kirche und die Kirche der Königin des Friedens in Klaipėda zurückzugeben. »Diese Bitten werden nicht erfüllt, denn zum Jubiläum wird Vilnius mit Sicherheit einen Bischof oder sogar einen Kardinal haben, und die Kirche, bei der er wohnen wird, wird auch Kathedrale sein«, sagte der Bevollmächtigte. Was die Rückgabe der St. Ca­simir-Kirche betrifft, hat P. Anilionis geraten, einer anderen Kirche von Vilnius den Namen St. Casimir zu geben, die Kirche von Klaipėda werde aber nicht zurückgegeben. »Baut einen Anbau an der alten Kirche«, riet der Bevollmächtigte. P. Anilionis mahnte die Bischöfe, keine Schreiben an die Behörden der Regierung zu richten. . . Als ein schlechtes Beispiel nannte er den Pfarrer der Kirche von Žagarė, Priester Gudanavičius. »Nachdem er einen verleumderischen Braef an M. Gorbatschow geschrieben hatte, bin ich nach Žagarė gefahren und habe zwei Stunden lang mit ihm gesprochen. Als ich aber zu Hause war, erhielt ich ein neues Schreiben des Priesters Gudana­vičius in demselben Stil. Solche Extremisten muß man endlich zur Raison bringen«, erhitzte sich der Bevollmächtigte.

Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates, Česnavičius, erklärte den Bischöfen und den Verwaltern der Diözesen die ökonomischen Errungen­schaften des Landes und vergaß dabei auch die Angelegenheiten der Kirche nicht. Er behauptete, daß an der Verhaftung der Priester A. Svarinskas und S. Tamkevičius die Bischöfe schuld seien. »Wenn die Bischöfe selber die genannten Priester rechtzeitig verwarnt hätten, würden sie jetzt nicht im Gefängnis sitzen«, sagte der Stellvertreter Česnavičius. Der Redner forderte die Bischöfe auf, »energischer die in der Freiheit lebenden Extremisten zur Disziplin zu bewegen«.

»Es ist eine Verleumdung«, behauptete Česnavičius, »daß die Regierung sich in die Angelegenheiten des Priesterseminars einmische. Ihr habt doch die Satzungen und das Programm des Priesterseminars selbst zusammenge­stellt. Wir kümmern uns nicht um die Benotung der Prüfungsergebnisse, aber es ist nicht nur unser Recht, sondern sogar unsere Pflicht, darüber zu wachen, daß sich unter den Alumnen und Dozenten keine antisowjetisch ge­sinnten Personen befinden ... Es ist eine Verleumdung, daß die Regierung sich in die Ernennung der Bischöfe und der Priester einmischt. Ihr ernennt, wir aber bestätigen und registrieren nur. Wir haben auch das Recht, Er­nennungen zurückzuweisen, die der sozialistischen Ordnung schaden könn­ten«, setzte Česnavičius seine Rede fort. Bezüglich des Besuches des Heiligen Vaters in Litauen wurde erklärt, daß dies nicht in der Kompetenz der Bi­schöfe und der Regierung Litauens liege. Das sei eine Angelegenheit zwi­schen Moskau und dem Vatikan, zwischen ihnen gäbe es aber keine diplo­matischen Beziehungen... »Wie kann man denn einen Menschen in die

Sowjetunion einladen«, sagte der Redner, »der die kommunistische und sozia­listische Ordnung eine Schande des XX. Jahrhunderts genannt hat und eine bekannte antisowjetische Jüdin, die Frau Sacharows, in einer Audienz einp­rägen hat.«

Nach dem Vortrag wurden die Bischöfe und Verwalter der Diözesen in ein Kinostudio gebracht, wo ihnen ein neuer Dokumentarfilm über die angebliche Freiheit der Katholischen Kirche in Litauen vorgeführt wurde. Der Film ist aus verschiedenen kirchlichen Feierlichkeiten zusammengestellt, an denen die Bischöfe Litauens teilgenommen haben. Es ist sicher für die Propaganda im Ausland bestimmt. Die seltenen Festlichkeiten werden aber die Alltäglich­keit der schmerzlich verfolgten Kirche nicht zudecken können.

*

An den Ordinarbischof der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Vilkaviškis, Erzbischof Liudvikas Povilonis

Abschriften an die Vorsitzenden der Exekutivkomitees des Volksdeputierten­rates der Rayon Lazdijai, Jonava und Kėdainiai

Mitteilung

des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, P. Anilionis

 

Hiermit wird mitgeteilt, daß der Pfarrer der religiösen Gemeinschaft von Kapčiamiestis, Priester Ignas Plioraitis, der Pfarrer von Panoteriai, Priester V. K. Pesliakas, der Pfarrer von Josvainiai, Priester L. Kalinauskas, die Gläubigen hindern, den Vertrag mit den Rayonexekutivkomitees bezüglich der Benützung des Bethauses und des darin vorhandenen kultischen Inven­tars nach dem Muster des Jahres 1968 zu unterschreiben. Wir erinnern Sie daran, daß es nur noch diese drei genannten Gemeinschaften sind, die den Vertrag noch nidit abgeschlossen haben.

Wir bitten Sie, auf die Priester Plioraitis, Pesliakas und Kalinauskas einzu­wirken, daß sich diese nicht in die ökonomischen Angelegenheiten der reli­giösen Gemeinschaft einmischen und die Gläubigen nicht daran hindern, den Vertrag bis spätestens 1. Februar d. J. zu unterschreiben.

Widrigenfalls wird die Behörde des Bevollmächtigten des Rates für Reli­gionsangelegenheiten auf Grund der Gesetze den Rayonkomitees von Laz­dijai, Jonava und Kėdainiai gestatten, die Bethäuser der religiösen Gemein­schaften von Kapčiamiestis, Panoteriai und Josvainiai für andere Zwecke zu verwenden.

Wir teilen Ihnen außerdem mit, daß wir in Zukunft keine Geistlichen für die religiösen Gemeinschaften von Kapčiamiestis, Panoteriai, und Josvainiai an­melden werden, weil diese Pfarreien keine Bethäuser mehr haben werden. Wir warten auf Ihre Entscheidung.

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An den Erzbischof der Diözese Vilkaviškis, Liudvikas Povilonis,

an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, P. Anilionis

Erklärung

der Gläubigen der Pfarrei Kapčiamiestis

(...) Gemäß dem am 28. Juli 1976 vom Präsidium des Obersten Rates der LSSR bestätigten Statut der religiösen Gemeinschaften wird den Gläubigen die Gewissensfreiheit genommen, die Atheisten mischen sich grob in die inneren Angelegenheiten der Kirche. Damit wird der Artikel 52 der Ver­fassung verletzt.

Hier werden einige Artikel des Statuts der religiösen Gemeinschaften aufge­führt, die für uns unannehmbar sind:

1.     Artikel 3 spricht von gläubigen Bürgern der religiösen Gemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Nach diesem Artikel werden alle, die jünger als 18 Jahre sind, nicht zu der religiösen Gemeinschaft gezählt und dürfen an Gottesdiensten nicht teilnehmen. Das bedeutet, daß unsere Kinder nicht beten dürfen. Dieser Artikel zerstört unsere, der Gläubigen, Familien. Warum dürfen die Atheisten ihre atheistische Erziehungskampagne führen, ohne das 18. Lebensjahr abwarten zu müssen?

2.     Artikel 18: »Religionsunterricht darf nur in geistlichen Schulen erteilt werden.« Eine Frage: Wo gibt es in Kapčiamiestis eine solche Schule, an der unsere Kinder Religionswahrheiten lernen können? Da hier keine solche Schule besteht und es anderswo nicht erlaubt ist, Glaubenswahrheiten zu lernen, heißt das für uns, die Gläubigen, daß uns dieser Artikel die Gewis­sensfreiheit nimmt.

3.     Artikel 19: »Das Tätigkeitsgebiet des Kultusdieners wird begrenzt...« Wir, die Gläubigen wissen, daß der Bischof die Tätigkeit des Priesters regelt, keinesfalls die Gläubigen, und schon gar nicht die Atheisten.

4.     Artikel 22 — 25: » ... die von den Gläubigen für die Kultangelegen­heiten geopferten Güter sind Eigentum des Staates.« Wir, die Gläubigen, haben keine Absicht, wenn wir der Kirche Geldmittel schenken, sie dem Staate oder den Atheisten der Regierung zu verschenken. Uber diese Ver­teilung der Güter spricht Artikel 24, wonach die von den Gläubigen gespen­deten Gaben den Atheisten in die Hände fallen. Das ist Beraubung der Gläubigen.

5. Artikel 30 — 44. Sogar vierzehn Artikel reden davon und drohen uns Gläubigen, daß die Kirche geschlossen werden kann, daß der Priester und das Exekutivkomitee der Pfarrei angeschuldigt werden können, daß der Priester uns weggenommen werden kann. Das ist eine Verletzung der Reli­gionsfreiheit. In dieser Hinsicht liegt bei der geistlichen Obrigkeit gemeinsam mit den Gläubigen die Entscheidung.

Ende Oktober 1985 hat die Vorsitzende des Ortsexekutivkomitees von Kap­čiamiestis, Elvyra Garbenčienė, den Pfarrer Priester Ignas Plioraitis, den Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Pfarrei, Bronius Midlauskas, die Sekretärin, Janina Margelienė vorgeladen und sie im Beisein einer Zeugin, der Ortssekretärin von Kapčiamiestis, Veronika Stravinskienė, mit einem Schreiben des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, P. Anilionis, in Kenntnis gesetzt:

»Der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten beim Minister­rat der UdSSR

Letzte Ermahnung

an das Exekutivorgan der religiösen Gemeinschaft von Kapčiamiestis:

An Bronius Milauskas, Sohn des Petras, Lazauskienė Genė, Tochter des Vincas, Mikelionis Antanas, Sohn des Matas.

Es wurde festgestellt, daß das Organ der Gemeinschaft der Katholiken von Kapčiamiestis, ungeachtet der mehrmaligen Aufforderung der Ortsverwal­tung, den Gründer der Pfarrei (den Zwanzigerrat) nicht dazu bewegt hat, den Vertrag wegen der unentgeltlichen Benützung des Bethauses und dem darin vorhandenen kultischen Inventar, den Kunst- und Kulturschätzen mit dem Rayonexekutivkomitee nach dem neuen Muster zu unterzeichnen.

Ich fordere das Exekutivorgan der Gemeinschaft von Kapčiamiestis dazu auf, bis zum 1. November d. J. den Vertrag über die Benützung des Bethau­ses mit dem Rayonexekutivomitee von Lazdijai zu unterzeichnen. Ich warne die Mitglieder des Exekutivorgans, daß die Registrierung der religiösen Gemeinschaft widerrufen und die Kirche geschlossen werden kann, weil sie ohne Vertrag benutzt wird.

(Stempel)        Bevollmächtigter des Rates P. Anilionis

Unterschrift«

Keine der genannten Personen aus der Pfarrei hat unterschrieben. Angesichts dieser Situation sehen wir, die Gläubigen der Pfarrei Kapčiamiestis, uns ge­zwungen, auf die letzte Ermahnung hin die Formulare des Vertrages zu un­terzeichnen, weil andernfalls unsere Kirche geschlossen und uns der Priester entzogen werden kann.

Bei einer eventuellen Besichtigung der Kirche werden wir die Vertreter der Regierung mit mindestens fünf Personen aus den Reihen der Gläubigen be­gleiten, die sich dazu verpflichtet haben.

Kapčiamiestis, im Januar 1986

Unterschriften der Gläubigen: (Es unterschrieben einhundertdrei Gläubige der Pfarrei Kapčiamiestis)

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Das Untergrundkomitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen hat das Schreiben Nr. 7 verfaßt und an einen Priester Litauens adressiert, dessen Handeln und dessen Anschauungen sich immer häufiger den Vorstellungen der Sicherheitsbeamten angleichen. Zweck dieses Schreibens ist es, ihn dazu zu bewegen, diese Tatsache zu überdenken; keinesfalls soll der Priester da­durch herabgesetzt oder verurteilt werden. Irren ist menschlich, aber im Irrtum verbleiben ...

Gebe Gott, daß alle, die vom Sicherheitsdienst irregeführt werden, standhaft und vernünftig bleiben und sich nicht durch List irreführen lassen. Wir bitten, im Gebet diese Meinung nicht zu vergessen.

Vilnius

Vor kurzem haben alle Kurien der Diözesen ein Schreiben des Vorsitzenden der Liturgischen Kommission Litauens, des Priesters V. Aliulis, erhalten, in dem steht:

»Wir sind benachrichtigt worden, daß genauso wie in den staatlich veröffent­lichten, so auch in von uns veröffentlichten Lebensbeschreibungen und Nachrufen keine Fakten der Repressalien aus den Zeiten des Personenkultes genannt werden dürfen. In einem Nachruf eines verstorbenen Priesters, der beispielsweise von 1949 bis 1957 eingekerkert war, soll man daher schrei­ben: » ... bis 1949 war er Pfarrer in ... Ab 1957 begann er als Pfarrer in... zu arbeiten« oder so ähnlich, die Zwischenzeit selbst, 1949 bis 1957, soll man aber nicht erwähnen.«

So ist es also! In einem Nachruf eines Priesters darf man eine ganze Reihe von Jahren, gerade die reifsten Jahre des priesterlichen Lebens, nicht er­wähnen! Sollen die Leute vielleicht denken, daß der Priester in diesen Jahren sein priesterliches Amt niedergelegt hat? Oder sollen wir vielleicht auch zur fortlaufenden Fälschung der Geschichte unseres Volkes beitragen?

Ein Prediger hat einmal anläßlich der Beerdigung eines Priesters von einem

»Zwangsurlaub« des Verstorbenen gesprochen, anstatt zu sagen, daß er in einem Lager gelitten hat. Die Gläubigen waren entsetzt; nicht nur die Mit­brüder haben den Priester getadelt, sondern auch die Gläubigen

Kaunas

Der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten mischt sich mas­siv ein, wenn es um die Ernennung der Priester geht. Die Kurie der Diözese Vilkaviškis wollte für die Stelle des ums Leben gekommenen Priesters J. Zdebskis, den Priester J. Gražulis, und später den Priester Petras Dumbliaus­kas zum Pfarrer der Pfarrei Rudamina ernennen. Der Bevollmächtigte er­klärte aber, daß diese Priester nicht Pfarrer der Pfarrei Rudamina sein dürfen, denn wenn sie dort tätig wären, würden nach seiner Uberzeugung am Grabe des Priesters J. Zdebskis bald Wunder geschehen und der verstorbene Prie­ster J. Zdebskis würde heiliggesprochen.

Dann wurde ein anderer Plan für die Ernennung gemacht und Priester J. Gražulis als Pfarrer für die Pfarrei Meteliai vorgeschlagen. Aber die Behörde des P. Anilionis legte auch hier ihren Protest ein; wenn der Prieter Pfarrer in Meteliai sei, dann sei er zu nahe bei seinem Bruder Antanas Gražulis, der »schlecht« auf ihn einwirken und aus ihm einen Extremisten machen könnte.

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An den Generalsekretär des ZK der KPdSU Michail Gorbatschow

Abschriften an die Bischöfe und Verwalter der Diözesen Litauens,

an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten P. Anilionis

an das Exekutivkomitee der Stadt Alytus

Erklärung

des Priesters Antanas Gražulis, wohnhaft in Litauen, Stadt Alytus, Pušyno 6.

Schon seit drei Jahren belegt mich das Exekutivkomitee der Stadt Alytus mit Administrativstrafen.

Am 5. Januar 1984 wurde mir von der Administrativkommission, bestehend aus der Vorsitzenden Butvinienė, der Sekretärin Lelienė, den Mitgliedern Petraitienė und Smičienė, gemäß dem Beschluß des Rates der Stadt Alytus vom 24. März 1982 eine Strafe von 10 Rubel auferlegt, weil ich »am 28. Dezember 1983 gegen 19.30 Uhr auf dem Kirchhof des Bethauses durch einen Lautsprecher eine Andacht übertragen und damit die Ruhe der an­liegenden Einwohner gestört« haben soll.

Ich habe noch nie etwas von einem offiziell veröffentlichten Gesetz gehört, das verbieten würde, durch einen Lautsprecher eine Andacht zu übertragen. Lautsprecher werden doch auch während der sowjetischen Feierlichkeiten öffentlich benützt. Bei der Neujahrsfeier in Alytus z. B. wurde auf der Straße so laut übertragen, daß es den Gottesdienst sogar innen in der Kirche noch gestört hat. Aus dem Restaurant »Nemunas« dringen jeden Samstag und Sonntag Töne bis 1 oder 2 Uhr morgens und stören die Nachtruhe, dafür aber wird niemand bestraft. Ist das nicht eine Diskriminierung?

Am 14. Februar 1985 hat mich dieselbe Administrativkommission der Stadt Alytus gemäß der Akte 124 mit einer Strafe von 50 Rubel belegt, weil ich am 18. Dezember 1984 (in Wirklichkeit war es der 26.) auf dem Kirchhof der Kirche von Alytus für die Kinder im vorschulischen Alter eine Weih­nachtsfeier vorbereitet hatte. Dadurch habe ich angeblich einen Radau ver­ursacht, so die öffentliche Ordnung verletzt und gegen die Bestimmung des Präsidiums des Obersten Rates vom 25. Mai 1966 verstoßen.

Die Weihnachtsfeier wurde nicht nur für die Kinder im vorschulischen Alter, sondern auch für ihre Eltern vorbereitet. Der Weihnachtsmann begrüßte am Weihnachtsbaum alle Teilnehmer des Gottesdienstes —Erwachsene wie auch Kinder. Einen Radau sollen, wie die Leute sagten, halbwüchsige Jugendliche verursacht haben, die von ihren ungläubigen Eltern dazu hergeschickt worden waren.

Am 16. Januar 1986 wurde ich von der Administrativkommission, bestehend aus dem Vorsitzenden A. Afanow, dem Stellvertreter G. Čiapas, der Sekre­tärin J. Lenienė und dem Mitglied J. Smičienė, gemäß dem Beschluß Nr. 65 mit einer Strafe von 50 Rubel belegt. Die Ursache: Ein an der Wand des Bethauses angebrachtes beleuchtetes Kreuz, daneben eine Beleuchtung mit der Inschrift »Sveiki sulaukę šventų Kalėdų« (Ein litauischer Weihnachts­gruß, der etwa »Gesegnete Weihnachten« bedeutet. — Bern. d. Ubers.) und etwas erhöht eine Abbildung der Burg von Trakai. Nach der Predigt wurden an die Kinder Heiligenbildchen verteilt. Auf diese Weise wurde der Artikel 214 des Gesetzbuches für Administrativrecht verletzt.

Die Administrativkommission ist der Meinung, daß ein beleuchteter Weih­nachtsbaum, ein Kreuz, eine Inschrift, eine Abbildung der Burg von Trakai keine Verbindung mit der Ausübung des Kultes hat. Das Wort »kultas« deutet das Wörterbuch der Fremdwörter aus dem Jahr 1985 so: »... Ver­ehrung, religiöse Handlungen, . . . religiöse Lieder.«

Religiöser Kult ist also eine Verehrung Gottes, und ein beleuchtetes Kreuz, eine Begrüßung, eine Predigt (die, unter anderem, nicht ich gehalten habe), der Gesang der Gläubigen und die Heiligenbildchen — sind das vielleicht keine Formen der Verehrung Gottes? Wie man aber Gott in der Kirche oder auf dem Kirchhof verehren soll, das bestimmt nicht das Exekutivkomitee, son­dern die geistliche Obrigkeit. Unsere Kirche ist klein, sie kann während der großen Festtage die Leute nicht aufnehmen, deswegen muß man für die Begrüßung der Gläubigen den Kirchhof benützen.

An dem Gottesdienst nahm ein gemischtes Publikum teil, d. h. nicht nur Kinder, sondern auch ihre Eltern. Sie haben hier nach der alten Tradition des Weihnachtsfestes gebetet, der Weihnachtsmann hat sie alle begrüßt. Diese religiöse Tradition des Weihnachtsbaumes und des Weihnachtsmannes hat auch die sowjetische Schule nachzuahmen begonnen: Sie verlegte das Weih­nachtsbaumfest auf den Neujahrstag und hat den Weihnachtsmann in Väter­chen Frost umbenannt. Deswegen kann kein Mensch mit einem gesunden Verstand und kein Gesetz die Tradition des Weihnachtsbaumes und des Weihnachtsmannes für ein Vergehen halten. Wenn die Tradition schlecht und strafbar ist, warum hat sich dann auch die sowjetische Regierung diese angeeignet?

Stellen denn solche Angriffe und Bestrafungen nicht die Beamten selbst bloß? In welchem anderen Staat wird man wegen solcher unschuldiger Sachen bestraft?

(...) Ich bitte Sie, die mir auferlegte Strafe zu widerrufen und zu veran­lassen, daß die Beamten solche Exzesse, mit denen sie sich selbst blamieren, nicht wiederholen.

Alytus, am 30. Januar 1986.

Ūdrija (Rayon Alytus)

Der Pfarrer der Pfarrei Ūdrija, Priester Vytautas Insoda, ist im Sommer vergangenen Jahres wegen Kinderkatechese mit einer Strafe von 50 Rubel bestraft worden.

Tytuvėnai (Rayon Kelmė)

Am 21. August 1985 versammelten sich in der Kirche von Tytuvėnai, an der Priester Liudvikas Semaška tätig ist, die Studienkameraden eines Kurses, die 1948 das Priesterseminar zu Kaunas abgeschlossen haben. An dem feierlichen Gottesdienst nahmen viele Gläubige teil, darunter nicht wenige

Jugendliche. Nach den Feierlichkeiten gratulierten die Jugendlichen den Priestern und überreichten ihnen Blumen. Dies alles wurde fotografiert. Nach dem Gottesdienst sprang ein Sicherheitsbeamter auf den Fotografen zu, riß ihm die Kamera aus der Hand, belichtete den Streifen und ging wieder weg, nachdem er verboten hatte, weiter zu fotografieren.

Balbieriškis (Rayon Alytus)

Aus Anlaß des 100. Geburtstages des Prälaten Mykolas Krupavičius be­stellten seine Verwandten und Bekannten im Oktober 1985 in der Kirche von Balbieriškis eine hl. Messe. Der Dekan von Alytus und Pfarrer von Balbieriškis, Priester Juozas Berteška, brachte das Meßopfer dar und hielt eine Predigt. Dies betrachtete die Regierung als ein großes Vergehen. Für den Prälaten M. Krupavičius dürfe keine hl. Messe gelesen werden, weil er, wie die Beamten sich ausdrückten, ein Antisowjetler gewesen sei. Wegen dieses »Vergehens« bekam Priester J. Berteška von der Regierung eine Schelte.

Širvintai

Am 18. März 1986 waren die Kirchenkomitees aller Pfarreien des Rayons in das Rayonexekutivkomitee nach Širvintai vorgeladen. Der Bevollmächtigte P. Anilionis hob die absolute Glaubensfreiheit hervor und erklärte den Ver­sammelten zweieinhalb Stunden lang, was bei der XXVII. Versammlung der Partei alles gesagt worden war. Als die Gläubigen ihn fragten, ob sie auf dem Lande Maiandachten ohne Priester abhalten dürften, protestierte der Bevollmächtigte scharf dagegen. Außerdem tadelte der Redner die Versam­melten wegen der Prozession zum Friedhof mit einer Strafe von 50 Rubeln, und den Pfarrer der Pfarrei Čiobiškis, Priester Kastytis Krikščiukaitis, der mit einer Strafe von 30 Rubeln bestraft worden war.

Kaunas

Die Priester Albinas Graužinis, Pfarrer der St. Vincenz von Paul-Kirche im Stadtteil Petrašiūnai und Kazimieras Statkevičius, Pfarrer der Hl. Kreuz­oder Karmelitenkirche, sind am 15. Januar 1986 in das Exekutivkomitee der Stadt Kaunas zum Stellvertreter des Vorsitzenden Kazakevičius vorgeladen gewesen. Der Stellvertreter des Vorsitzenden beschuldigte die beiden Prie­ster, daß diese die Extremisten unterstützten, verschiedenen Vereinigungen der Jugend erlaubten, sich in der Kirche zu versammeln usw. Die am 29. Dezember 1985 in den Kirchen veranstalteten Weihnachtsmannfeiern nannte der Stellvertreter erbost ein antisowjetisches Spektakel. Die Pfarrer erklärten ihm beide, daß sich bei den neben den Kirchen veranstalteten Weihnachts­baumfeiern die Gläubigen mit ihren Kindern versammelt hätten... Und wie sehe ein Weihnachtsbaumfest ohne Weihnachtsmann aus? So wie bei allen Weihnachtsbaumfeierlichkeiten, so hätten auch hier die Kinder Ge­dichte vorgetragen. Kazakevičius verlangte von den Priestern, die Aktivitäten der Extremisten in der Kirche zu verbieten (als Beispiel nannte er Fräulein A. Raižytė), Versammlungen der Jugend zu unterbinden und keine Spektakel zu veranstalten. Der Pfarrer von Petrašiūnai, Priester A. Graužinis, erklärte darauf, daß A. Raižytė in der Kirche tätig sei und ihre Arbeit gut mache. Der Stellvertreter wurde aufgeregt: »Wir wissen schon, wie sie arbeitet!« — schrie Kazakevičius — »sie soll die Kirche putzen und das erledigen, was sie erledigen muß, aber nicht bei verschiedenen Gelegenheiten antisowjetische Spektakel organisieren und Jugendgruppen leiten.« Der Stellvertreter er­innerte Pfarrer Graužinis an die Osterprozession vorigen Jahres, bei der die anbetenden Mädchen mit grün-gelb-roten Kleidchen geschmückte Schlei­fen getragen hätten, weshalb der Pfarrer im Frühjahr zu der Stellvertreterin des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees von Panemunė der Stadt Kaunas (Panemunė ist ein Stadtteil und ein Rayon der Stadt Kaunas — Bern, d. Ubers.), Ražinskienė und den Bevollmächtigten des Rates für Religions­angelegenheiten, P. Anilionis vorgeladen wurde.

Šiauliai

Der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten kam am 20. März 1986 nach Šiauliai und »bildete« dort die Zwanziger-Räte der religiö­sen Gemeinschaften des Rayons und der Stadt Šiauliai aus. Anilionis erläu­terte die Beschlüsse der Vollversammlung der KP, in denen die absolute Gleichberechtigung der Gläubigen mit den Atheisten herausgehoben wird. »Niemand hat das Recht, irgendwelche Personen wegen ihrer Uberzeugungen zu verfolgen oder vor Gericht zu stellen. Niemand hat das Recht, in irgend­welche Dokumente oder Bestätigungen einzutragen, daß sie gläubig sind, — das ist eine Gewissensangelegenheit eines jeden« — erklärte der Bevoll­mächtigte. Er las sogar einige Artikel der Verfassung vor, mit denen die Gewissensfreiheit der Bürger garantiert wird.

Straßenumzüge würden nur während der Liederfeste, am 1. Mai, am Tag der Revolution, keinesfalls aber nach Šiluva erlaubt, denn dort bestehen böse Absichten, die sowjetische Ordnung zu stürzen.

Scharf verurteilte der Redner die verhafteten Priester und auch andere »Ex­tremisten«, wie er sich ausdrückte, die unter dem Vorwand der Religion die sowjetische Ordnung verleumden. Er erzählte ebenfalls, daß 1985 in Litauen 30 Kirchen beraubt wurden, aber dank der sowjetischen Beamten alle Übel­täter gefaßt und bestraft worden seien.

Der Bevollmächtigte freute sich, daß die Kirchen der Stadt Šiauliai von Einbrüchen verschont geblieben seien. Nach Abschluß seiner Rede bat er, Fragen zu stellen. Im Saal stand J. Šileikis auf und sagte, daß es nicht wahr sei, daß in Šiauliai nicht in die Kirche eingebrochen worden sei. Dies passiere ziemlich oft. »Auch in diesem Winter sind welche eingebrochen und haben einige Schlösser an den Türen beschädigt. Aber es ist ihnen nicht gelungen, die Türe aufzureißen. Dann schlugen sie die Fenster ein, beschädigten die farbigen Glasfenster und seilten sich mit Stricken in das Innere der Kirche hinunter. Aber sie konnten nicht lange ihr Unwesen treiben, denn als sie zum Tabernakel schlichen, schaltete sich die Alarmanlage ein und sie mußten verschwinden und nicht nur das Diebesgut, das sie schon bereitgestellt hat­ten, sondern auch das Einbruchswerkzeug, einen Spezialsack und die Stricke am Fenster zurücklassen. Nach solchen Übeltätern sucht bei uns niemand, und wenn die Gläubigen selber einen erwischen und zur Miliz bringen, dann werden sie doch nicht bestraft«, sagte J. Šileikis.

»Einige Jahre früher haben die Kirchendiener in der St. Peter und Paul-Kirche beobachtet, wie sich eine Frau russischer Nationalität am Altar zu schaffen machte und schaute, was sie an Wertvollerem mitnehmen könnte. Die »Kirchenbesucherin« wurde zur Miliz gebracht. Die sowjetischen Beam­ten verlangten lediglich von ihr, daß die Diebin sich bei dem Pfarrer ent­schuldigen solle, und damit war die Sache erledigt.

Ein andermal haben vier junge Burschen am hellichten Tag in der Kirche alles zusammengesucht, was ihnen nur gefallen hat, am meisten die Tep­piche. Auf dem Kirchhof haben die Diener der Kirche sie beobachtet und einer von ihnen wurde erwischt. Er bekam Angst und hat auch die anderen verraten. Alles wurde der Miliz übergeben. Die Bediensteten der Kirche mußten noch oft zur Miliz gehen, bis ihnen schließlich erklärt wurde, daß die Jugendlichen nichts getan, jedenfalls keine Verbrechen begangen hätten; sie hätten dies aus atheistischen Motiven unternommen.«

Weiterhin widersprach J. Šileikis, sei es nicht wahr, daß in diese Dokumente nicht eingeschrieben wird, daß jemand gläubig ist. »Ich würde mit Freuden begrüßen, wenn in meinem Paß ein Vermerk eingetragen würde, daß ich ein Christ bin . .. Aber meinen drei Kindern, die an der 5. Mittelschule lernen, steht in der Charakteristik vermerkt, daß sie gläubig sind, und sogar fanatisch gläubig, und in der Charakteristik meiner Tochter Vita, wird die ganze Fa­milie beschrieben: »Das Mädchen ist streng gläubig, die ganze Familie hält sich fest an die religiösen Verpflichtungen, und der Vater prahlt öffentlich damit. Persönliche Gespräche und Beratungen blieben ohne Ergebnisse.«

Diese Rede gefiel dem Bevollmächtigten gar nicht, besonders daß er die Frau russischer Herkunft erwähnte.

Der Bevollmächtigte war außerdem über Mečislovas Jurevičius verärgert, der, wie er meint, mit blutigen Händen und auch nachdem er 25 Jahre ab­gesessen hat, sich immer noch nicht bessert. Er hat die Prozession von Meškuičiai (zum Berg der Kreuze) geführt und ist deswegen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Mosėdis (Rayon Skuodas)

In der Nacht vom 30. zum 31. Dezember 1985 wurden vom Kirchhofstor der Kirche von Mosėdis Statuetten des hl. Erzengels Michael, die von den Gläubigen sehr verehrt wurden, und des hl. Florian gestohlen. Die Diebe haben eine Leiter mitgebracht, nahmen die Statuen mit und ließen die Leiter am Tor stehen. Obwohl die Figuren als Kunstdenkmäler vom Staate sehr geschützt werden, fahndet die Regierung nicht besonders emsig nach ihnen.

Zur selben Zeit wurden auch andere Kapellchen in Niederlitauen ausgeraubt.

Musninkai (Rayon Širvintai)

Am 15. Februar 1986 wurde in der Pfarrei Musninkai der Einwohner des Dorfes Paširvintis, Leonas Radzevičius beerdigt. Die Tochter des Verstor­benen, Raudeliūnienė, arbeitet im Rayonkrankenhaus in Širvintai als Abtei­lungsleiterin. Der Rayonparteisekretär verwarnte die Ärztin Raudeliūnienė, während der Beerdigung ihres Vaters in die Kirche zu gehen. Wenn sie sich nicht danach richten wolle, solle sie nur gleich eine Erklärung schreiben, daß sie ihre Arbeit aufgebe.

Skaudvilė (Rayon Taurage)

Am 21. Februar 1986 ist der Priester Stanislovas Sakutis gestorben. Der Priester wurde in der Kirche aufgebahrt, wo sich täglich, besonders aber am Abend, Massen von Menschen versammelten. Um die Gläubigen von der Teilnahme am Gottesdienst abzuhalten, wurde am Sonntag, dem 23. Februar, ein Winterfest veranstaltet. Die Kirche war aber trotzdem voll von Men­schen. Die Gläubigen der Pfarrei Adakavas haben beschlossen, am Sonntag für den Verstorbenen die »Kalvarienberge« zu singen. Die Regierung kün­digte den Einwohner von Adakavas für diesen Abend im Kulturhaus ein

Gratiskonzert an. Auch die Omnibusse fuhren die Leute gratis hin. Die Gläubigen nützten diese Gelegenheit aus, um nach Skaudvilė kommen zu können, und gingen dort... in die Kirche, der Saal aber, wo das Konzert stattfinden sollte, blieb leer. Für den Beerdigungstag, den 25. Februar, ver­pflichtete das Sowjetgut Vaidilai alle Werktätigen, zu unterschreiben, daß sie an der Abrechnungsversammlung teilnehmen werden. Und wieder brach­ten die Omnibusse die Leute hin, die Leute gingen aber auch diesmal in die Kirche. An der Schule wurden die Schüler verwarnt, daß sie es empfindlich büßen müßten, wenn sie an der Beerdigung des Priesters teilnähmen. Den fleißigeren Besuchern der Kirche haben die Lehrer eingeflüstert: »Kommt doch morgens in die Schule, tragt euch ein, daß ihr anwesend seid, spater aber, nach einer oder zwei Unterrichtsstunden, wird es niemand merken, wenn ihr zu der Beerdigung geht.« Als sich die Schüler aber versammelt hatten, wurde die Schule zum Gefängnis: Die Bücher der Schüler wurden eingesperrt, die Lehrer bewachten die Ausgänge und die Schüler wurden zu einer Versammlung in einem Saal zusammengetrieben. Gewöhnlich laufen die Schüler während der Pausen hinaus in die Kaufläden, an diesem Tag durfte niemand hinausgehen. Trotz all dieser Maßnahmen nahmen große Mengen von Menschen an der Beerdigung teil.

Nach der Beerdigung schickte die Vorsitzende des Exekutivkomitees der Stadt, Bernikienė, Meldungen über die Teilnehmer der Beerdigung an höhere Instanzen ab.

Kiaukliai (Rayon Širvintai)

Am 18. November 1985 wurden die Mitglieder des Kirchenkomitees der Pfarrei Kiaukliai, Stasys Andrikonis, Vytautas Anusevičius, Stasys Mar­kauskas, Juozas Maceika und Vaclovas Dijokas in das Rayonexekutivkomi­tee von Širvintai vorgeladen. Der Vertreter des Rates für Religionsangele­genheiten Kizas empfing sie. Auch ein unbekannter Funktionär war dabei. Kizas war über alles unzufrieden: Über die Prozession zum Friedhof, über die Kinderkatechese, über die Predigten, in denen die inhaftierten Priester erwähnt werden... Die Mitglieder des Kirchenkomitees verteidigten mutig ihren Pfarrer und erklärten, daß die Prozession niemand behindert habe. Die mit Kies beladenen Lastautos, die extra der Prozession der Gläubigen hinterher geschickt worden waren, hätten mehr Lärm gemacht als das Glok-kengeläute, das angeblich die Kinder beim Unterricht gestört haben soll. Der Gang zum Friedhof sei eine langjährige Tradition der Pfarrei, und die Gläubigen hätten verlangt, daß der Pfarrer mitgehen solle. Gleichzeitig brachten die Pfarrangehörigen ihre Zufriedenheit zum Ausdruck, daß der Pfarrer, Priester R. Puzonas, zu ihnen so gut sei: Er betrachte alle gleich und helfe überall, wo er nur helfen könne. Die Vorwürfe der Regierung seien total unbegründet und nur pure Rache gegen ihn.

Der Vertreter der Regierung wagte es, lügnerisch zu behaupten, daß von allen Pfareien Litauens nur ihre Pfarrer allein die Allerseelenprozession bereitet haben. Er schimpfte über die inhaftierten Priester und behauptete dabei, daß diese aufgefordert hätten, aus den Schulen die Kommunisten zu beschießen.

Am 22. November schickten die Mitglieder des Pfarrkomitees eine Be­schwerde wegen der Behindeiung der Allerseelenprozession an den Bevoll­mächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten und an die Redaktion der Zeitung »Valstiečių laikraštis« (Zeitung der Landbewohner). 57 Per­sonen haben dieses Protestschreiben unterschrieben. Am 25. Dezember er­hielt das Pfarrkomitee eine Antwort von P. Anilionis, daß das Beschwerde­schreiben an das Rayonexekutivkomitee zur Beratung weitergeleitet wurde. Die »Valstiečių laikraštis« gab den Einwohner von Kiaukliai am 21. De­zember eine Antwort mit dem Artikel »Aus den unveröffentlichten Briefen«, in dem sie das Führungsgremium der religiösen Gemeinschaft und den Priester R. Puzonas der Verletzung des Statuts der religiösen Gemeinschaf­ten beschuldigten.

Am 18. Dezember kam der Ortsvorsitzende Vladas Karaliūnas mit einigen seiner Mitarbeiter in das Pfarrhaus der Pfarrei und las ein Schreiben der Lehrer der Achtjahresschule von Kiaukliai vor, in dem gebeten wird, dem Pfarrer zu verbieten, an Arbeitstagen zwischen 9 und 16 Uhr die Kirchen­glocken zu läuten, denn das störe angeblich den Unterricht. Der Pfarrer erklärte, daß es nicht möglich sei andere Zeiten für die Beerdigung festzu­legen. Der Vorsitzende stellte wegen der Allerseelenprozession eine Akte zusammen.

Für den 25. Dezember, den ersten Weihnachtstag, bekam Priester R. Pu­zonas eine Vorladung in das Rayonexekutivkomitee, wo sein Administrativ­prozeß stattfinden werde. Der Priester begab sich aber nicht dorthin, nur einige Mitglieder des Pfarrkomitees fuhren hin und bezahlten dort die Strafe von 10 Rubeln für die Allerseelenprozession.